Sonnentor: Viel Licht im Walde

Im niederösterreichischen Waldviertel befindet sich die Firma Sonnentor, die ihre Bio-Tees, Kräuter und Gewürze weltweit vertreibt. Nachhaltigkeit, Gemeinwohl und ein wertschätzendes Miteinander sind die Grundpfeiler der gelebten Firmenphilosophie.

Feucht-kalter Nieselregen ab Wien.Tief hängende Bewölkung, düstere, daher zunächst wenig ansprechende Landschaft entlang der Autobahn Richtung Nordosten. Dann weiter in westliche Richtung bis zum Ziel, dem 150-Einwohner-Dörfchen Sprögnitz bei Zwettl im Waldviertel. Auffallend wenig Verkehr. Endlich durchdringen die ersten Sonnenstrahlen das Gewölk. Das Waldviertel liegt zwischen dem niederösterreichischen Most- und dem Weinviertel nah an der Grenze zum tschechischen Südböhmen. Eine vergleichsweise dünn besiedelte, leicht gewellte Natur- und Kulturlandschaft mit ausgedehnten Wäldern, großen rund geschliffenen Granitblöcken und verwurzelten, stillen Wanderwegen ohne allzu große Höhenunterschiede. Und einzelne Bauernhöfe mittendrin. Wunderschön. Eine Urlaubsregion ohne Massentourismus und dem dazu gehörenden Halligalli für diejenigen, die echte Natur- und Kulturlandschaften schätzen.

Hier befindet sich Sonnentor, eine Global Player Firma, die ihre Bio-Produkte in 53 Länder rund um den Globus exportiert. Eine Firma mit 40,2 Millionen Euro Umsatz im Jahre 2017 und einem  Umsatzplus von 12 Prozent – sowie 42 neu geschaffenen Arbeitsplätzen allein im vergangenen Jahr!

Der große Gebäudekomplex von Sonnentor befindet sich gleich am Ortseingang von Sprögnitz. Von hier aus haben die Bio-Tees, Kräuter und Gewürze also schon vor vielen Jahren den deutschen und europäischen Markt erobert.

Weltkarte SONNENTOR komplett
Quelle SONNENTOR Weltkarte

Zum Gebäudekomplex gehören das „Snnentor Erlebnis“ mit Verkaufsladen, die firmeneigene Kinderbetreuung namens Sonnen- scheinchen, das Bio-Gasthaus Leibspeis, der Bio-Bauernhof Frei-Hof und der Produktionsbetrieb mit mehreren Hallen, dar- unter die Halleluja-Halle. Alles beeindruckend, aber überhaupt nicht protzig. Eher funktionell mit liebevollen Details. Durch das Waldviertler Sonnentor mit dem Firmenlogo der strahlenreichen Sonne betreten wir den wunderschön gestalteten, hellen Verkaufsraum mit Holzregalen und Körben, in denen viele der über 900 Sonnentor Bio-Produkte den Kunden vorgestellt und zum Kauf angeboten werden: Sonnentor Bestseller wie der „Gute Laune Tee“ oder das vielseitig einsetzbare Kräutergewürz „Scharfmacher“, die Duftessenzen, der feine Bio-Kardamom oder die verschiedenen Bio-Kräutermischungen als natürliche Heilmittel. Eine wichtige Grundlage der Kompositionen ist das traditionelle europäische Kräuterwissen, wie etwa die Erkenntnisse von Hildegard von Bingen. Diese gibt es auch zum Nachlesen, denn in den Regalen stehen neben Tees und Gewürzen auch Sonnentor Bücher, darunter das sehr lesenswerte Buch von Johannes Gutmann „Auf der Sonnenseite“ sowie „Gut geht anders“, eine Biographie über Johannes Gutmann vom österreichischen Journalisten Peter Gnaiger. Ferner gibt es diverse Rezept- und Heilpflanzenbücher sowie das kleine Café, in dem Fans die verschiedenen Tees verkosten können. Alles sehr einladend, hell und attraktiv, ohne Schnickschnack.

Die Produkte

Sonnentor Produkte findet man heutzutage beispielsweise in den 11 firmeneigenen Geschäften, den 18 Franchiseshops, im Bio-Fachhandel und in gut sortierten Apotheken. Inzwischen gibt es sogar Sonnentor Schwesterbetriebe in Tschechien, Rumänien und Albanien und langjährige Sonnentor Kooperationen mit Biobauern  in Deutschland, Spanien, Portugal, Albanien, Kosovo, Bulgarien, Serbien, Tschechien, Griechenland, China (Tee), Nicaragua (Kaffee) und Tansania (Pfeffer, Nelken, Lemongras, Kardamom). Sonnentor ist zweifellos eine ungewöhnliche Firma mit Vorbildcharakter – wegen der gelebten Firmenphilosophie, wegen der Mitgliedschaft bei der Gemeinwohlökonomie sowie wegen den kompromisslos hohen Qualitäts-Anforderungen mit strengen Richtlinien: Für alle Endprodukte gilt, dass keine Farbstoffe, künstlichen Aromazusätze und Konservierungsmittel enthalten sein dürfen. Alle Lieferungen werden in unabhängigen Labors auf mehr als 650 Rückstände untersucht. Rund 2500 Proben werden jährlich zur Analyse eingeschickt. Hinzu kommt im Vergleich zu konventionellen Betrieben, dass hier viele Experten ein wachsames Auge auf die Produkte haben – vom Saatgut und der Qualität des Bodens über die An- und Aufzucht bis hin zur Ernte und zum behutsamen Trocknen. Und danach kommt noch das „Einsackeln per Hand“ – Qualitätskontrolle erfolgt hier nicht nur in Labors, sondern auf unter- schiedlichste Arten. Das X-Augen-Prinzip von all diesen Kräuter-Experten ist dabei nicht das schlechteste.

Das Waldviertel und der Vorturner

Das Waldviertel kannte ich zunächst nur von den handgefertigten edlen Waldviertler Lederschuhen. Irgendwann wurde mir klar, dass die Sonnentor Tees auch aus dem Waldviertel stammen. Sonnentor hatte da bereits durch seine feinen Kräuter-Tees und Bio-Gewürzmischungen  einen  nachhal- tig guten Geschmack bei mir hinterlassen, noch bevor ich Näheres wusste über die Firma, deren Gründer und Besitzer: Johannes Gutmann, Jahrgang 1965. Der machte mich noch neugieriger. 1988, also vor genau 30 Jahren, hat er seine Firma gegründet. Da war er gerade mal 23 Jahre jung. Begonnen hat er als Ein-Mann-Betrieb mit drei überzeugten Biobauern. Fünf Jahre lang war er als One-Man-Show auf den Wochenmärkten unterwegs und verkaufte die Biokräuter seiner Waldviertler Kooperationspartner. Heute hat Sonnentor 320 Mitarbeiter-/ innen aus neun Nationen, zuzüglich rund 80 Heimarbeiter-/innen, die nach Stückzahl bezahlt werden. Es ist dennoch keine Akkordarbeit. Die Heimarbeiter können sich ihre Arbeit den eigenen Bedürfnissen entsprechend einteilen und mal mehr oder weniger Kräuter „einsackeln“.

Johannes Gutmann Vordenker
Johannes Gutmann | Sonnentor

Was hatte ich nicht alles über diesen Johannes Gutmann gelesen, darunter Headlines in Medien, die lauteten: „Vom Spinner zum Winner“ oder ähnliche Formulierungen. Oder dass er immer eine rote Brille und nachhaltig produzierte Waldviertler-Schuhe trage sowie die alte Lederhose seines Großvaters, die ihm viel zu groß sei. Clownesk? Geht gar nicht? Von wegen: Eine auffällige Brille in pfiffig-modischem Design, edle Waldviertler-Handwerkskunst an den Füßen und die traditionelle, zugleich praktische Lederhose, die immer und überall passt. So einer fällt sofort auf. Hoher Wiedererkennungswert also, dank des auffälligen Markenzeichens. Dazu kommt, dass er edle Bio-Produkte aus seiner Heimat, der Naturlandschaft des Waldviertels verkauft, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen, wo es wenig Verkehr, wenig Industrie, kaum Umweltverschmutzung und kaum Infrastruktur gibt. Er schafft über 300 Arbeitsplätze in dieser Region und kurbelt gleichzeitig den Tourismus und das ansässige Handwerk kräftig an. Das Image des Waldviertels profitiert davon ebenfalls enorm. Gutmann und Sonnentor sind ein wahres Fanal gegen das alte Klischee des verschlafenen Waldviertels. Hier ist doch das Gegenteil der Fall: Der Kräuter-Hannes und seine Mitstreiter erkannten  früh die wahren Werte ihrer Heimat. Tradition, altes Handwerk und Wissen, verbunden mit neuen Technologien werden geschätzt und gepflegt – mit Ideen und klaren Vorstellun- gen darüber, was gut und wichtig ist und wie diese Werte den Menschen unserer Zeit vermittelt werden können – ohne Heimattümelei. Die Botschaft wirkte stimmig auf mich. Außerdem hatte ich irgendwo ein Foto von ihm bei einer Preisverleihung entdeckt: Johannes Gutmann in seiner auffälligen Bekleidung zwischen anderen Firmenchefs in klassischen dunklen Business-Anzügen. Und dieser Johannes Gutmann macht auf dem Bild einen Freudensprung zwischen den überrascht schauenden anderen Preisträgern. Dabei sieht Gutmann nicht  aus, als hätte er den Luftsprung aus marketing- technischen Gründen inszeniert – die pure Freude macht sich hier Luft. Die ganze Person hebt ab und springt hinauf in den freien Raum über den anderen Köpfen. Seine Augen und sein breites Lachen sprechen Bände. So etwas kann man nicht inszenieren. Freude ist übrigens ein Schlüsselbegriff der gelebten  Sonnentor Firmenphilosophie. Auch wenn das zunächst etwas seltsam klingen mag.

Nachhaltig aufgestellt – bis zum Detail

Auf der Toilette weist ein Schild darauf hin, dass hier aus  ökologischen  Gründen mit Regenwasser gespült wird. Ein großer Sack mit Kräutern sorgt für angenehmen Duft. Alles bei Sonnentor ist durchdacht und auf Nachhaltigkeit und  den umweltfreundlichen Umgang mit Ressourcen getrimmt: Die Stromversorgung erfolgt bereits seit 1992 durch Ökostrom, seit 2011 werden etwa 10 Prozent des gesamten Strombedarfs durch die eigenen Photovoltaikanlagen produziert – das entspricht 60 000 kWh Strom pro Jahr. Überall im Betrieb gibt es LED-Lampen, die im Vergleich zu konventioneller Beleuchtung den Strombedarf halbieren. Die Betriebsgebäude werden komplett mit Hackschnitzel aus der Region und CO2-neutral beheizt. Der Frei-Hof nutzt eine Pelletheizung. Der komplette Sonnentor Betrieb ist klimaneutral mit ausgeglichener CO2-Bilanz und kom- pensiert unter anderem durch den Aufbau von Humus. Seit 2015 hat Sonnentor sogar eine eigene Wasserversorgung mit mo- derner Wasseraufbereitungsanlage. Beste Trinkwasserqualität ist damit gewährleistet. Davon verbraucht Sonnentor nur 2400 m³ pro Jahr, was dem Verbrauch von 12 Einfamilienhäusern entspricht. Zur Reinigung werden ökologische Putzmittel eingesetzt. Die Produktetiketten und Informationsmaterialien bestehen aus Recycling – oder FSC-zertifiziertem Papier, gekauft werden Büro-Materialien bei regionalen Anbietern, gedruckt wird bei regionalen Ökodruckereien. Auch sonst werden – falls möglich – stets lokale Handwerker und Lieferanten bevorzugt – zur Stärkung der Region, damit die Menschen hier auf Dauer eine echte Perspektive haben.

Quelle: SONNENTOR - räutertees
Quelle: SONNENTOR – Lose Kräutertees

Als wir mit Pressesprecherin Marie-Theres bei Sonnentor Tee und dem firmeneigenen Bio-Kaffee aus Nicaragua sowie köstlichen, garantiert palmölfreien Gute-Laune Bio-Keksen sitzen, kommt „der Vorturner“, wie sich der Sonnentor Chef selbst bezeichnet. Mit roter Brille, aber in Jeans und Shirt. Und mit schnellem Schritt. Das strahlende, jungenhafte Lachen und die herzliche Begrüßung entsprechen dem Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte.

In der Firma wird geduzt, das macht alles gleich einfacher. Er kennt jeden Mitarbeiter persönlich. In der Firma herrscht eine entspannte, herzliche Atmosphäre – viel gelacht wird hier auch. Befragt nach der berühmten Lederhose, meint er: „Die war früher wichtig, als ich noch als One-Man- Show die Kräuter auf den Märkten verkaufte oder die Apotheken abklapperte. Wer mich sah, der erinnerte sich an mich: „Ah, das ist doch der Lustige mit der Lederhosn und den Biokräutern aus dem Waldviertel.“ Beste Werbung also, die ich mir damals gar nicht hätte leisten können. Praktisch war’s auch – ob Besuch bei meinen Biobauern, am Marktstand, beim Geschäftsbesuch oder bei repräsentativen Anlässen – kein Dress- Code, keine Zeitverschwendung durch die Frage, was ich anziehen muss. Ich machte das damals einfach so. Heute ziehe ich an, was ich will, zu bestimmten Anlässen auch gerne die Lederhose und die Waldviertler Schuhe. Die alte Lederhose von meinem Opa habe ich zwar noch, aber ich habe auch eine im Schrank, die nicht so viel Patina hat“, sagt er und lacht dabei, dass der Tisch wackelt. Er ist ein sehr kommunikativer Mensch, der kein Problem hat auf andere Leute zuzugehen, sie in den Arm zu nehmen oder anzusprechen. Er ist einer, der andere Leute sofort für sich einnimmt – durch seine Offenheit, seine Herzlichkeit und seine Unvoreingenommenheit. Außerdem kann er zuhören. Dadurch hatte er stets einen intensiven Austausch mit den Menschen. Egal, ob es sich dabei um die 50 wichtigsten Firmenchefs Europas handelt oder um einen seiner Heimarbeiter. Er findet sofort einen Draht zu den Menschen. Sie erzählten ihm auch viel, beispielsweise welche Kräuter ihnen gut tun und welche weniger. Da habe er viel gelernt. Dieses Wissen brachte er oft direkt in die Produktentwicklung ein. Die Nähe zu den Kunden und den Produzenten hält er für ein wesentliches Element des Erfolges von Sonnentor.

Neben dem Vorturner gibt es bei Sonnentor keine CEOs, Marketing-, PR- und Salesmanager, sondern Marken-Botschafter, Zahlen-Checker, Schätze-Sammler, Pro- dukt-Artisten und Talente-Förderer als Berufsbezeichnungen. Diese veranschaulichen viel besser, was der jeweilige Mitarbeiter bei Sonnentor macht.

Sonnentor Waltviertel
Quelle: SONNENTOR – Ernte

Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung

Seit 2011 ist Sonnentor Mitglied der Ge-meinwohl-Ökonomie, die eine alternative Form der Marktwirtschaft darstellt. Gewinnmaximierung, Profit- und Konkurrenzdenken werden dabei als unzeitgemäße, veraltete Strukturen verstanden, die durch die Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie ersetzt werden. Der nachhaltige, verantwortungsvolle Umgang mit Natur, Mensch und allen Ressourcen werden zu den wichtigsten Säulen der modernen Firmenphilosophie: Es geht um die Sicherheit der Arbeitsplätze, um Menschenwürde, Solidarität, ein von Fairness und Wertschätzung geprägtes Miteinander, um nachhaltiges Wirtschaften, soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Vertrauen, Transparenz sowie gesundes Wachstum. Das ist bei Sonnentor keine hehre Philosophie, sondern beeinflusst offensichtlich jede Entscheidung und jedes strategische Detail in der Praxis.

Ein weiteres wesentliches Erfolgsrezept ist die Wertschätzung der Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Aufgabenbereich. Wichtig ist für Gutmann, dass seine Mitarbeiter mit Freude bei der Arbeit sind. So mancher Verbesserungsvorschlag sei beispielsweise von einem Mitarbeiter gekommen, der lange herumgetüftelt habe, um einen speziellen Ablauf in seinem Bereich zu optimieren.

„So etwas kann nur von einem Mitarbeiter kommen, der direkt damit zu tun hat und der in seiner Arbeit aufgeht. Wer seine Arbeit nicht gerne erfüllt, der entwickelt keine Eigeninitiative.“Seine Wertschätzung zeigt Hannes Gutmann auch dadurch, dass er für die Kinder seiner Mitarbeiter die firmenei- genen Kinderbetreuung Sonnenscheinchen bauen ließ. „So können die jungen Mütter und Väter Arbeit und Familienleben besser unter einen Hut bringen und wissen, dass ihr Kind in dieser Zeit bestens versorgt ist.“ Auch Homeoffice und Gleitzeitmodelle werden angeboten, falls umsetzbar im jeweiligen Arbeitsbereich. Für alle Mitarbei- ter und die Kinder im Sonnenscheinchen gibt es kostenloses Mittagessen. Bio-Hausmannskost, die vorzüglich schmeckt und gesund ist. Wie bei einer Familie sitzen dann alle an langen Tischen zusammen  und schöpfen ihr Essen aus den Töpfen und Schüsseln. Dazu gibt’s Bio-Kräutertee oder Wasser. So kommen oft auch Mitarbeiter miteinander ins Gespräch, die in unterschiedlichen Abteilungen arbeiten.

Wen wundert es bei dieser Vorzeigefirma, dass 95% der Mitarbeiter-/innen mehr verdienen als laut Tarifvertrag vorgeschrieben wäre? Oder dass gleiche Löhne für Männer und Frauen schon lange eine Selbstverständlichkeit bei Sonnentor sind und der Frauenanteil unter den Abteilungs- und Teamleitern bei 55% Prozent liegt! Zehn der Sonnentor Mitarbeiter-/innen haben ein Handicap, ein bis zwei Langzeitarbeitslose werden jeweils beschäftigt, damit sie wieder in den Berufsalltag eingebunden werden können. Auch Rentner- und Rentnerinnen haben hier eine berufliche Chance und dürfen weiterarbeiten, wenn sie Freude daran haben und ihre Rente aufbessern wollen. So wie die 60jährige Josephine, eine sehr sympathische und eloquente ehemalige Bäuerin, die mit vier anderen Rentnern im Wechsel Betriebsführungen macht und auf den wichtigen Bio-Fachmessen die Sonnentor Produkte vorstellt. Bei der Führung erfährt man dann unter anderem, dass zur Reduktion von Plastik und Verpackungs- müll die pyramidenförmigen Teebeutel nicht aus Kunststoff, sondern komplett aus Maisstärke hergestellt werden. Oder sie zeigt wie ausgediente Kartonagen auf spezielle Weise geschreddert und als Füllmaterial weiterverwendet werden. Man merkt ihr an wie stolz sie auf ihre Firma und deren Produkte ist und kann sich kaum vorstellen, dass diese kluge, energiegeladene Frau, die offensichtlich viel Spaß hat bei ihrer Arbeit, bereits Rentnerin ist, die eigentlich nicht mehr arbeiten müsste. Eine Frau wie sie wird hier gebraucht und geschätzt – genauso wie das Engagement „der vier anderen glücklichen Pensionisten, die bei Sonnentor Führungen machen.“

Umweltschutz

Als ich Johannes Gutmann frage, ob kurze Transportwege und Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz bei seiner Standortwahl denn keine Rolle gespielt habe, sagt er: „Oh, das ist alles so gekommen. In Zwettl wollten sie uns damals nicht haben, wir hatten ständig Ärger dort, und dann sah ich hier in Sprögnitz diesen baufälligen alten Hof am Ortsrand. Den konnte ich mir damals gerade noch leisten … Und dann wurde die alte Hüttn Schritt für Schritt umgebaut.“ Heute ist diese „alte Hüttn“ ein modernes helles Gebäude und Teil des Sonnentor Gebäudekomplexes. Fotos des früheren Hofes vermitteln den Eindruck, dass die Abrissbirne vermutlich die preisgünstigere Alternative gewesen wäre. Aber Johannes schätzt alte Dinge – so wie den wunderschönen, über 120 Jahre alten Apothekerschrank aus der ehemaligen Hirsch-Apotheke in Graz, der vor einigen Jahren nur noch als Brennmaterial vorgesehen war. Johannes rettete den Schrank, ließ ihn richten und teilte das Prachtstück: Eine Hälfte steht in Sprögnitz und die andere Hälfte im Sonnentor Geschäft in Graz. Er sah trotz der dicken Patina die Schönheit des alten Schrankes – wie bei vielen alten Dingen, die er sammelt. Sie werden repariert, umgebaut oder recycelt anstatt weggeworfen. Was ein nachhaltiger Umgang mit gebrauchten Dingen ist, um deren Lebensdauer zu verlängern, musste Johannes nicht lernen. Es entspricht seiner Art.

Die Anfänge

Baueren bei Sonnentor
Johannes Gutmann und SONNENTOR Bauern   Quelle: SONNENTOR

 

Wenn Gutmann von den Anfängen seiner Firma erzählt, dann stellt er stets die drei Bauern in den Vordergrund, die sich damals von ihm, dem 23jährigen gerade arbeitslos gewordenen Waldviertler, überzeugen ließen, es mit dem Bio-Anbau von Kräutern zu versuchen, die er auf dem Markt für sie verkaufen wollte. Damals lautete das Credo, dass in der Landwirtschaft nur Ertragssteigerung existenzsichernd sei – großflächiger Anbau, Monokulturen und der großzügige Einsatz von Kunstdünger galten in der Landwirtschaft damals als einzige Mittel zum wirtschaftlichen Erfolg. „Und dann kam dieses junge, weitgehend mittellose Bürschel daher, der diese gestandenen Waldviertler Bauernfamilien von seiner Idee überzeugen konnte, mitzumachen.“ Sie machten mit, weil sie ihn kannten und ihm vertrauten, aber auch weil sie selbst vom traditionellen Anbau und dem Wert der Kräuter überzeugt waren: Maria Zach, genannt Oma Zach, Helga Bauer, Kurt Kainz … die Mitstreiter der ersten Stunde, die mit ihren Familien auch heute noch für Sonnentor arbeiten. Was Gutmann als kleines Wunder des Vertrauens darstellt, ist es weniger, wenn man diesen Mann mit seinem immensen Charme, seinem Wissen, seinem Humor, seiner sprühenden Energie und seiner Überzeugungskraft kennenlernt. Auch die Biographie spricht Bände: Ursprünglich wollte er in Wien Handelswissenschaften studieren, aber er ertrug weder die Großstadt, noch die reine Wissenschaftstheorie und beschloss, in seiner Heimat, dem Waldviertel zu bleiben. Er hatte mehrere Aushilfsjobs und bekam schließlich eine vom Arbeitsservice (Arbeitsamt) geförderte Stelle, die den Tourismus im Waldviertel ankurbeln sollte. Danach arbeitete er als Außendienstmitarbeiter einer Zwettler Bauerei und schließlich wurde er Koordinator für landwirtschaftliche Sonderkulturen und kreierte mit seinem damaligen Chef die Marke „Waldland“. Als sich die ersten Erfolge einstellten, wurde sein geförderter Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert. Er wurde arbeitslos. Das war die Initialzündung für die Gründung von Sonnentor. Und von Anfang an war ihm dabei klar, dass er nur reine Bioware verkaufen wollte und den Bauern dafür faire Preise zahlen würde. „Das Jammern über das schwere Los war früher typisch für die Waldviertler“, erklärt Gutmann. „Aber Rearn (heulen) bringt einen nicht weiter, man muss die Dinge ändern und konsequent das umsetzen, was man selbst für richtig hält. Und wenn mal eine Entscheidung falsch war, dann muss man eben daraus lernen und es besser machen.“

Landwirtschaft – in den 1980er- Jahren und heute

Die 1980er- und 1990er-Jahre waren unter anderem die Zeit der Milchseen, der Butterberge und Getreide-Überproduktion auf den Agrarmärkten – was schlechte Preise für die Bauern bedeutete. Resignation, Insolvenzen, Betriebseinstellungen und Existenzängste waren weit verbreitet. In dieser Zeit, in der die vergleichsweise kleinen Waldviertler Bauern kaum Überlebenschancen hatten auf dem weltweiten Agrarmarkt mit seinen riesigen Monokulturen, kam dieser 23 Jährige Waldviertler auf die Idee, das zu verkaufen, was auf den Höfen bis dahin höchstens in den privaten Kräutergärten einiger Bäuerinnen geschätzt wurde: diverse Kräuter, die ohne Kunstdünger wachsen durften. 1992 ging es dann richtig los: Die alte „Hüttn“ hatte er renoviert, er begann zu exportieren: nach Deutschland, in die Schweiz und nach Italien. 1996 beeindruckte er einen Händler aus Japan, indem er ihn zu seinen Biobauern mitnahm. Trotz Sprachproblemen hat der japanische Gast die Botschaft sofort verstanden. Schritt für Schritt ging’s weiter, die Firma wuchs rasch und auf gesunde Weise, da Gewinne stets in die Firma investiert wurden. „Man darf nie die Bodenhaftung verlieren“, betont Gutmann. „Ich habe hier eh alles, was ich brauche. Luxusgüter bedeuten mir nichts. Ich kann immer nur ein Auto fahren und nehme dann eines aus unserem Fuhrpark. Ein Elektroauto für kürzere Strecken oder ein Fahrzeug, das für den jeweiligen Zweck besser passt.“ Den einzigen Luxus, den er sich gönnt, ist, dass er jeden Morgen selbst entscheiden kann, wann er aufsteht. Es ist sicherlich auch beruhigend für ihn, dass knapp 62% des Gesamtkapitals von Sonnentor aus Eigenkapital besteht. Durch Beteiligungen und Darlehen kann Sonnentor seine Lieferanten-/innen und Kunden in schweren Zeiten sogar unterstützen. Außer- dem unterstützt Sonnentor aktiv die Bank für Gemeinwohl, die 2013 von Christian Felber gegründet wurde. „Es ist doch ein Schwachsinn, dass man von den Banken normalerweise nur dann einen Kredit bekommt, wenn man bereits erfolgreich ist. Faire Kredite braucht ein Jungunternehmer am Anfang als Starthilfe. Ich finde es wichtig, dass man Menschen mit guten Ideen durch Rat und Tat wie ein Mentor unterstützt. “

Sonnentor – Bio und Nachhaltigkeit sind Trumpf

So wie Gutmann alte Dinge schätzt und sie lieber recycelt oder restauriert als wegwirft, so entsprechen auch viele anderen Punkte bei Sonnentor den Prinzipien eines nachhaltigen Wirtschaftens und des wertschätzenden Umgangs sowohl mit den Ressourcen der Natur als auch mit den Mitarbeitern und Partnern. Sie haben ihre direkte Umsetzung gefunden in der Firmenphilosophie. Dazu gehört beispielsweise, dass die international operierende Firma ein Familienbetrieb ist und keine Stockholder, Aktionäre oder stille Teilhaber hat. Dank direktem Handel, auch bei den Biobauern in Übersee, kennen die Sonnentor Mitarbeiter alle Partner-/innen persönlich. Es sind langjährige Partnerschaften auf Basis von sozial verträglichen und fairen Konditionen, wie beispielsweise die jährliche Abnahmegarantie der Ernte für die Bauern. Wenn sie mehr produziert haben als erwartet, dann ist die die Ab- nahme durch Sonnentor zum selben Preis garantiert – die Ware wird getrocknet und eingelagert. Durch Arbeiten wie das sorgfältige Trocknen der Kräuter, das Ziehen des Bio-Saatgutes und gegebenenfalls das Verpacken und Etikettieren von Hand sind die Bauern das ganze Jahr über für Sonnentor beschäftigt.

Viele Produkte werden bei Sonnentor noch vorsichtig von Hand verpackt: weil Hände das besser können als jede Maschine. Das schafft zudem Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region. Auch die jährlich rund 40 000 Gäste, die den Betrieb besichtigen, im eigens für sie gebauten Bio-Gasthaus Leibspeis‘ die regionale Küche genießen, am Frei-Hof ein Seminar über Permakultur und Kräuter besuchen und sehen wie der Kreislauf der Natur funktioniert, sind nicht nur wichtig für die Firma, sondern für die ganze Region. Sie ermöglichen auch neue viel versprechende Konzepte eines sanften Tourismus im Waldviertel – im Einklang mit dem Trumpf-Ass des Waldviertels, nämlich der unverfälschten Natur. Ein sanfter Tourismus, der keine „Geschmacksverstärker“ und keine überdimensionierte Möblierung der Landschaft braucht: Wandern, Radeln, Langlauf im Winter, dazu geführte Themenwanderungen, Schulungen, Seminare …

Auch in diesem Bereich hat Gutmann bereits Pläne und Ideen für Sonnentor und  die Region. An Unterkünften für Touristen fehlt es dabei noch. Auch das will er än- dern. Inzwischen kann man beispielsweise mitten im Kräutergarten übernachten. Dazu werden zwei Landlofts aufgestellt. Das sind Wohnwaggons, die zu 100 Prozent aus nachhaltigen und regionalen Materialien gefertigt werden. Als Politiker versteht er sich dennoch nicht: „Ich mache das, was ich für richtig halte. Wenn’s gut ist, ziehen die anderen eh nach“, sagt er und grinst schel- misch. Oma Zach, die 2018 ihren 90. Geburtstag feiert und noch immer mit anpackt auf ihrem Hof, formulierte das vor vielen Jahren auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen so: „Zuerst verlacht, dann betracht‘, dann nachgemacht“!

Authentisch und bodenständig – der Kreis schließt sich

Auffallend ist bei Sonnentor, dass schon lange mit Fotos und Zitaten der Biobauern, des Chefs selbst und der Mitarbeiter geworben wird. Mit Oma Zach, Helga Bauer und Kurt Kainz, den ersten drei Sonnentor Kräuterbauern bei der Firmengründung, Johannes Gutmann selbst und dessen Eltern, die ihren jüngsten Sohn stets unterstützt haben. Auch all die anderen Mitarbeiter und fleißigen Hände, die den Kräutertee noch von Hand in die Säckchen packen oder die Biobauern in der Ferne wie Frau Kijombo, die in Tansania eine Spezialistin und Biobäuerin ist für Kardamom und Nelken, sind hervorragende Werbemodels für Sonnentor. Die Werbung mit diesen echten Protagonisten in ihrer Arbeitskleidung ist so authentisch und nachhaltig wie die Produkte selbst. Auch gute Slogans einer teu ren Werbeagentur und schöne, Kräutertee trinkende Top-Models wären längst nicht so aussagekräftig und glaubwürdig wie Oma Zach, Helga Bauer und Kurt Kainz auf ihren Feldern. Besser können die Werte und die Firmenphilosophie von Sonnentor nicht vermittelt werden.


Gaby Funk (M.A.) arbeitete nach dem Studium zunächst als Produktmanagerin sowie Leiterin Marketing und Presse in der Touristik, danach als Berg- und Reise-Redakteurin sowie als Textchefin bei verschiedenen Redaktionen. Seit über zehn Jahren lebt sie im Allgäu als freie Journalistin; einer ihrer thematischen Schwerpunkte ist „Nachhaltigkeit“. Foto: Gerd Heidorn