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Im Gespräch mit: Alexander Piutti

Alexander PiuttiAlexander Piutti ist ein Impact-orientierter Seriengründer, Angel-Investor und Innovationscoach. Alex liebt zwei Dinge: Innovationen und die enge Zusammenarbeit mit ambitionierten und kreativen Köpfen. Dies führte dazu, dass Alex mehrere Technologie- und Impact-Unternehmen aufbaute, darunter Global Venture Partners, Overture (verkauft an Yahoo! für $1,6 Mrd.), GameGenetics, SirPlus, Rehago und zuletzt SPRK.global. Im Interview mit „Wirtschaft & Ethik“ erklärt er, wie das weltweit ungelöste Problem der Lebensmittelverschwendung mithilfe einer pragmatischen sowie daten- und KI-getriebenen Kreislaufwirtschaft gelöst werden kann.

Wirtschaft & Ethik: Du bist die letzten Jahre als Investor und Gründer finanziell und mit viel persönlichem Engagement in das Thema Nachhaltigkeit eingestiegen. Warum?
Alexander Piutti: Ich hatte 2014 eine Krebs-Fehldiagnose, mich rasch erholt und überlegt, was ich aus meinem Leben machen möchte. Ich fühle mich als Gründer und Innovator super wohl, aber es hat mir etwas gefehlt. So habe ich neben Technologie und Business Modellen (mein ‘home turf’) das Thema Purpose und Impact dazugenommen. Grüne Wiese: es gibt noch nicht viele ‘for-profit impact ventures’, die tatsächlich skalieren. Das globale Thema Food Waste hat mich schockiert und gleichzeitig fasziniert – und so bin ich angetreten, das Problem zu lösen.

Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, erkläre mal in zwei drei Sätzen, was Ihr bei SPRK.global so macht.

Die SPRK Mission ist, die Lebensmittelverschwendung in der Lieferkette massiv zu reduzieren und zu eliminieren, zunächst im Bundesgebiet und später übergreifend. Das machen wir vor allem im Schulterschluss mit etablierten Teilnehmern der Lieferkette (siehe SDG #17: Partnerschaften), was wir tatsächlich in den letzten 16 Monaten erfolgreich validieren konnten. Unser Ansatz ist einzigartig, da technologie-getrieben: wir distribuieren bestens genießbare Lebensmittelüberschüsse an relevante Abnehmer, allen voran gemeinnützige Unternehmen (NGOs), die chronisch unter Budgetmangel leiden und unterstützt werden müssen (z.B. durch Lebensmittelspenden). Auch das ist ganz klar Teil unserer Mission.

Künstliche Intelligenz, Digitalisierung wird von der Gesellschaft eher als negativ betrachtet – Jobkiller, Datenkrake usw.. Ist die Zukunft so negativ?

Nein, ganz im Gegenteil. Lebensmittelverschwendung im B2B-Bereich ist einfach erklärt: Überschüsse werden mangels Abnahme und im Kontext des MHD-Countdowns z.T. im großen Stil leider entsorgt. Das heisst, eine rasche Distribution dieser vorhandenen aber nicht genutzten Ressourcen in abgestimmte, alternative Abnahmekanäle muss die Lösung sein. Dabei wollen wir ja nicht wie die Weltmeister retten, sondern mittel- und langfristig mit unseren Partner eher in die Vermeidung gehen und damit die Lebensmittelverschwendung und -überproduktion tatsächlich runterfahren. KI hilft hier bei der Mustererkennung und Antizipierung entsprechender „Use Cases“ und ist unersetzlich, wenn alle Stakeholder tatsächlich den Impact maximieren wollen. Im Resultat profitieren Industrie und Gesellschaft von dieser KI-getriebenen, übergreifenden Distributionslösung: einen vergleichbaren Impact zu erreichen wäre für einzelne Teilnehmer der Lieferkette nicht möglich.

Brauchen wir beim Thema Digitalisierung – eventuell auch noch bei anderen Themen – eine Art Ethikrat?

Es braucht vor allem einen pragmatischen Ansatz und eine rasche Umsetzung! Schauen wir aus der Vogelperspektive: 2030 ist als global-festgelegte Deadline für Klima- und Ressourcenziele kompromisslos festgelegt, wichtig und richtig. Der Countdown läuft und entsprechende Impact-Metrics müssen rasch eine quantifizierbare Größenordnung und Flughöhe erreichen. Unsere Rolle mit

SPRK.global ist gern die eines Orchestrators aus Technologiesicht. Wenn es um Vermeidung von Lebensmittelverschwendung geht, muss dieser Effekt bereits in den nächsten 2-3 Jahren deutlich sichtbar werden. Hier gilt ein ‘sense of urgency’ zwecks Schulterschluss der Teilnehmer und rascher Skalierung. Wir sind überzeugt das Problem ist lösbar, auch unter Berücksichtigung ethischer Grundsätze.

1,6 Mrd Tonnen Lebensmittel landen weltweit pro Jahr auf dem Müll. Wie kann dem Hunger auf der Welt ein Ende gesetzt werden? Wo setzt Euer Konzept an? Welche Ethik steckt dahinter?

Fangen wir in Berlin an: wenn wir die Lebensmittelüberschüsse in der Lieferkette rasch und effizient umverteilen, sollte es auch keinen Hunger mehr in Berlin geben. Die Tafel und andere NGOs machen einen super Job. Aber die Schere in der Gesellschaft geht – nun verstärkt im Corona Kontext – weiter auseinander. Bestens genießbare Lebensmittelüberschüsse auf der einen Seite als Potenzial für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft (SGD #12), Hunger (SDG #2) und schlechte Ernährung (SDG #3) auf der anderen Seite stehen im starken Widerspruch, den wir auflösen wollen. Dazu haben wir u.a. ein Sponsorenmodell entwickelt, was die Querfinanzierung unserer NGO-Belieferung unterstützt. Unternehmen können so z.B. 100.000 EUR via SPRK spenden und wir garantieren die Lebensmittelversorgung für z.B. 12 Monate.

Bis dato haben wir diese Leistungen pro-bono erbracht, insbesondere im Rahmen der von SPRK gegründeten Impact Allianz Berlin zu Beginn der Corona-Krise. So haben die Berliner Arche-Standorte von uns und unseren Partnern bereits viele Tonnen Obst und Gemüse erhalten, was dringend benötigt wird. Dabei haben wir erfahren, dass wir der einzige Frische- und Vitaminlieferant sind. Da geht unser Herz auf. Ehrliche Freude und ein zufriedener Küchenchef bei der Arche!

Ein Beispiel bitte. Ich kenne einen Supermarkt ums Eck, da füllt sich der Container regelmäßig mit abgelaufener Waren. Wo könntet Ihr helfen?

Das ist nicht unser Schwerpunkt. SPRK agiert eher am Anfang und in der Mitte der Lieferkette: Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, Großhandel, z.T. auch Einzelhandel: dort wo viel Volumen unterwegs ist, entstehen oft auch größere Überschüsse. Dort setzen wir an und leiten um, immer in enger Absprache mit unseren Lieferpartnern.

In einfachen Worten. Wie funktioniert das technisch? Wie viel muss ein Unternehmen investieren?

Die Investition auf Partnerseite ist überschaubar. Wir halten unseren Partnern den Rücken frei, sparen Entsorgungs- und Handlingkosten. Wir sind derzeit dabei, die ersten Systemintegrationen vorzunehmen. Das ist extrem spannend. Ideal sehen wir ‘real-time’, was abgeschrieben und ausgebucht wird. Diese Informationen nutzen wir zwecks Bestimmung relevanter Abnahmekanäle. Später setzen wir dort auf und lassen Algorithmen laufen zwecks Vorhersage (‘predictive’) und Optimierung.

Erfreulicherweise konnte SPRK mit diesem Technologieansatz im Juli 2020 die so genannte XTC Extreme Tech Challenge weltweit gewinnen, in der Kategorie ‘Smart Cities’. Es waren über 2.400 innovative Startups bei diesem größten ‘tech4good award’ angetreten, alle im Bereich Technologie und Nachhaltigkeit. Der 1. Platz hat SPRK im Bereich Bekanntheitsgrad und Visibilität sehr geholfen, um unseren Ansatz auszubauen und weitere Partner zu gewinnen.

Als Ausblick: es wäre doch ein gigantischer Erfolg für alle Beteiligten, wenn wir zusammenrücken und das Problem Food Waste mit Hilfe des SPRK Technologie-Ansatzes tatsächlich knacken: massive Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, im Resultat auch Millionen von Tonnen unnötige CO2 eingespart und systematische Lebensmittelbelieferung von Bedürftigen. Erlauben wir uns doch einmal, den Erfolg tatsächlich vorzustellen: nicht mit einer rosaroten Brille, sondern geerdet, real und im Rahmen einer fokussierten Umsetzung. Diese Vorstellung ist die halbe Miete auf dem Weg zur Lösung – jedenfalls meine Erfahrung aus 20 Jahren Entrepreneurship, Innovation und Startup Skalierung.

Vielen Dank für das interessante Gespräch zu einem sehr wichtigen Thema, das in vielen Aspekten das Thema Nachhaltigkeit anspricht.

Das Gespräch führte Jürgen Linsenmaier

Über SPRK
sprk löst die LebensmittelverschwendungDas Impact-Start-up SPRK.global GmbH (SPRK) verfolgt das Ziel, Lebensmittelüberschüsse umzuverteilen und die Lebensmittelverschwendung in der gesamten Lieferkette langfristig zu beseitigen. So sollen zugleich unnötige CO2-Emissionen reduziert und letztlich vermieden werden. Dazu setzt das Start-up auf eine einzigartige Technologie unter Verwendung von künstlicher Intelligenz. Diese verbindet die Teilnehmer der Lieferkette und sorgt für eine bedarfsgerechte und zügige Umverteilung der Lebensmittelüberschüsse. Weltweit werden jährlich 1,6 Mrd. Tonnen Lebensmittel vergeudet, davon allein 12 Mio. Tonnen in Deutschland.

Das im März 2020 gegründete Start-up orientiert sich mit seinem Ansatz eng an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs), insbesondere SDG 12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion), SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) und SDG 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele). Mit dem innovativen Technologieansatz hat SPRK im Juli 2020 unter 2.400 internationalen Bewerbern weltweit den ersten Platz bei der Extreme Tech Challenge (XTC), dem größten „Tech For Good”-Wettbewerb für nachhaltige Start-ups, in der Kategorie „Smart Cities“ belegt.

www.sprk.global

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