Startup und Nachhaltigkeit

Ob Hunger bekämpfen oder die Gesundheitsversorgung verbessern: Nachhaltigkeit ist mehr als Greentech

Von Dr.-Ing. Heba Aguib, Chief Executive RESPOND Accelerator, BMW Foundation Herbert Quandt

Wirtschaft und Nachhaltigkeit passen zusammen – das zeigen immer mehr Initiativen und Unternehmen. Insbesondere zahlreiche Start-ups gehen die globalen Herausforderungen unserer Zeit mit Mut und innovativen Ideen an. Sie sind häufig agiler als etablierte Großunternehmen, können neue Wege in kürzerer Zeit beschreiten und kreative Lösungen finden. Zudem steigt die Anzahl nachhaltiger Start-ups von Jahr zu Jahr. Oftmals rücken bei der Diskussion um nachhaltige Geschäftsmodelle vor allem Start-ups in den Fokus, die sich mit Greentech befassen, also innovative technische Lösungen für den Umwelt- und Klimaschutz entwickeln. Auch wenn diese einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten können, entsteht so schnell der Eindruck, dass Nachhaltigkeit und Greentech beinahe synonym sind. Die Gefahr besteht, dass andere Bereiche, die für eine nachhaltige Zukunft ebenso entscheidend sind, weniger Beachtung bekommen – also weniger Investitionen erhalten oder keine passenden Acceleratoren entwickelt werden. Wir müssen uns daher dringend wieder in Erinnerung rufen, dass Nachhaltigkeit ökonomische, soziale und ökologische Aspekte beinhaltet.

Nachhaltigkeit als Vision der Weltgemeinschaft

Die globalen Herausforderungen scheinen heutzutage komplexer als je zuvor: Neben den Gefahren des Klimawandels leiden weiterhin weltweit Menschen unter Armut, Hunger, Gesundheitsrisiken oder Kriegen. Zudem sorgt die Globalisierung dafür, dass sich wirtschaftliche und geopolitische Machtverhältnisse verschieben und sich das Netzwerk der Kausalitäten beispielsweise bei Konflikten weiter verstrickt. Kein Wunder, wenn der Überblick über die vielschichtigen Aufgaben schwer fällt und, auch aufgrund der medialen Präsenz, Klima- und Umweltschutz derzeit besondere Aufmerksamkeit erhalten. Wer allerdings die Komplexität der Herausforderungen an die Menschheit verstehen möchte, für den bildet die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen einen guten Ausgangspunkt. Die Agenda 2030 wurde im September 2015 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet. Sie enthält 17 Nachhaltigkeitsziele, welche die Ziele der Weltgemeinschaft wie folgt zusammenfassen:

1. Keine Armut
2. Keine Hungersnot
3. Gute Gesundheitsversorgung
4. Hochwertige Bildung
5. Gleichberechtigung der Geschlechter
6. Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen
7. Erneuerbare Energien
8. Gute Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum
9. Innovation und Infrastruktur
10. Reduzierte Ungleichheiten
11. Nachhaltige Städte und Gemeinden
12. Verantwortungsvoller Konsum
13. Maßnahmen zum Klimaschutz
14. Leben unter dem Wasser
15. Leben an Land
16. Frieden und Gerechtigkeit
17. Partnerschaften, um die Ziele zu erreichen

Wer diese 17 Ziele einmal gelesen und die Problematik bei jedem der Punkte durchdacht hat, bekommt einen realistischen Eindruck über das Ausmaß der Herausforderungen, vor der die Menschheit derzeit steht. Die gute Nachricht: Für jedes dieser Ziele setzen sich bereits zahlreiche Initiativen und Unternehmen aller Größen, so auch Start-ups, mit unterschiedlichen Lösungsansätzen ein. Bei der Diskussion über nachhaltige Unternehmen sollte es daher künftig nicht mehr nur um “Greentech” gehen, sondern vielmehr die verschiedenen Aspekte von “Tech for Good” weiter vorangetrieben werden. Die BMW Foundation hat sich dementsprechend als Ziel gesetzt, durch ihre Aktivitäten die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. Anfang des Jahres wurde hierfür zusammen mit der UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München, das Accelerator-Programm RESPOND ins Leben gerufen, um Start-ups mit nachhaltigen Geschäftsmodellen zu unterstützen.

Wie versuchen Start-ups, die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen?

Start-ups, die sich bereits für eines der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele einsetzen, tun dies mit unterschiedlichen Ideen. Ob sie mit Healthtech-Lösungen an einer besseren Gesundheitsversorgung arbeiten, durch neue Technologien versuchen, sauberes Wasser wiederverwendbar zu machen oder mit dem Verkauf von fair hergestellten Produkten verantwortungsvollen Konsum unterstützen: Diese Lösungsansätze sind nur einige Beispiele, die die Vielfalt nachhaltiger Start-ups zeigen.

Damit nachhaltige Start-ups ihr Geschäftsmodell möglichst schnell erfolgreich umsetzen können, ist gerade in der Frühphase finanzielle Unterstützung oder Beratung sinnvoll. In den letzten Jahren hat sich dementsprechend ein Netzwerk für junge, nachhaltige Unternehmen entwickelt, dass den Gründern mit Kompetenzen, Kontakten und finanziellen Mitteln zur Seite steht. Von Risikokapitalgebern und Förderprogrammen bis hin zu Start-up-Wettbewerben und Crowdfunding-Plattformen können Gründer bereits auf ein umfangreiches Angebot zurückgreifen. Trotzdem ist dieses längst nicht so umfangreich, dass alle vielversprechenden Geschäftsideen in diesem Segment umgesetzt werden können. Deshalb gilt es, mehr Aufmerksamkeit für nachhaltige Start-ups zu generieren und künftig so weitere Unterstützer, wie Kapitalgeber, für diese zu gewinnen.

Die Leistungen nachhaltiger Start-ups sollten als Vorbild und Inspiration dienen. Erst indem man diese würdigt, lässt sich das Thema Nachhaltigkeit in seiner ganzen Bandbreite erfassen und unterstützen. Gleichzeitig lässt sich so erkennen, dass wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltige Geschäftsmodelle sich nicht widersprechen. Das hilft nicht nur den Start-ups, die von mehr Unterstützung oder Kunden profitieren, sondern auch der Gesellschaft auf dem Weg zu einer friedlicheren, gerechteren und nachhaltigeren Zukunft.

Drei beispielhafte Start-ups, die sich bereits für nachhaltige Ziele einsetzen.

> Open Bionics
Das Start-up aus England stellt mithilfe von 3D-Druckern kostengünstige Prothesen her – unter anderem den “Hero Arm”, der dank einer Kooperation mit Disney im Superhelden-Design für Kinder erhältlich ist (Ziel 3: Gute Gesundheitsversorgung).

> Think-it
Das tunesische Start-up Think-it bildet Softwareingenieure in Nordafrika aus und vermittelt sie an geprüfte Partnerunternehmen in Deutschland und den USA. Das wirkt dem IT-Fachkräftemangel entgegen und hilft jungen Talenten in Nordafrika, ihr Potenzial voll auszuschöpfen (Ziel 8: Gute Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum).

> Hawa Dawa
Das Münchner Start-up liefert durch eine Kombination aus IoT und Smart Data Echtzeit-Daten zur Luftqualität und verhilft somit Städten und Unternehmen zu einem besseren Management der Luftreinheit (Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden).

 

Autorin

Dr.-Ing. Heba Aguib, Chief Executive RESPOND Accelerator, BMW Foundation Herbert Quandt