Wir müssen von der „Shareholder Primacy“-Doktrin abrücken
Die Zukunft liegt in einem nachhaltigem und integrativem Wachstumsmodell
Autor: Phillip Smith, COO und EVP, Europe Delivers, >> Xynteo
Obwohl unser marktorientiertes Wachstumsmodell den Bürgern und der Wirtschaft Europas enorme Vorteile gebracht hat, scheint es uns nun zu isolieren – es ist defizitär und gefährlich geworden. Das Weltwirtschaftssystem hat uns mehrere globale Grenzen überschreiten lassen. Dazu gehören der Verlust der Biodiversität, Stickstoff- sowie Phosphorflüsse und Landnutzungsänderungen. Gleichzeitig erleben wir zunehmende Ungleichheit und einen sozialen Bruch.
Das kapitalistische Modell funktioniert nicht mehr so, wie es sollte. Wie lange können und sollten Umwelt und Gesellschaft um der Wirtschaft Willen leiden?
Die Aktionäre sind für den Markt, was Regen für die Ernte ist: Sie haben eine tragende Rolle für den Erfolg des Marktmodells gespielt und tun dies auch weiterhin. Aber im Interesse der Gesellschaft, der Unternehmen sowie auch der Aktionäre selbst müssen wir die restriktiven Interpretationen des Vorrangs der Aktionäre aufbrechen und eine weitreichendere, umfassendere Sichtweise der Wertschöpfung anstreben.
Wir müssen die Wirtschaft umstrukturieren, um nicht nur für Aktionäre, sondern auch für ein breiteres Spektrum von Stakeholdern eine Wertsteigerung zu erzielen.
Im Rahmen des >> Europe Delivers Programms von Xynteo und basierend auf Gesprächen mit 27 CEOs und Geschäftsführern – darunter AXA, BP, EDF Energy, IKEA Group, Nokia, Schneider Electric, Tesco, Nestlé und Yara – haben wir mit einer gemeinsamen Marktkapitalisierung von über 2 Milliarden US-Dollar und einer direkten Beschäftigung von über 2,3 Millionen europäischen Bürgern >> vier wichtige Aufgaben festgelegt, die Unternehmen in Angriff nehmen können, um einen robusten und nachhaltigen Wert für ihre Anteilseigner zu schaffen. Dabei werden auch breitere Interessengruppen – etwa ihre Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und das Gemeinwesen, in dem sie tätig sind – berücksichtigt.
1. Mehr Beweise dafür, dass Shareholder- und gesellschaftlicher Nutzen Hand in Hand gehen können
Der ehemalige CEO von Unilever Paul Polman hat Quartalsberichte und Gewinnprognosen abgeschafft und sein Unternehmen auf ein längerfristiges Multi-Stakeholder-Modell der Wertschöpfung umgestellt. Er kombiniert dies mit einer kühnen kommerziellen Vision, die darauf abzielt, den Umsatz von Unilever zu verdoppeln und gleichzeitig den CO2-Ausstoß zu halbieren. Nach einem anfänglichen kurzfristigen Kursrückgang erzielte Unilever ein konstantes, branchenweit überdurchschnittliches Umsatz- und Gewinnwachstum, eine Aktionärsrendite von 300% und eine Reihe großer Erfolge bei der Umsetzung seiner Nachhaltigkeitsziele. Wir brauchen mehr Beweise wie diesen – die Leute sind mutig genug, um darüber zu diskutieren.
2. Mit den richtigen Investoren Kontakt aufnehmen
Eine aktuelle Umfrage der Bank of America Merrill Lynch zeigt: US-Manager unterschätzen den Anteil der Aktien, die von Unternehmen gehalten werden, die nachhaltige Anlagestrategien verfolgen dramatisch. Scheinbar haben viele Unternehmen einfach Schwierigkeiten, sich mit Investoren und Aktionären zu vernetzen, die tatsächlich bereit sind, ihr Geld für längerfristige Gewinne einzusetzen.
3. Den Vorstand mobilisieren
Das Miteinbeziehen von Vorständen ist Voraussetzung dafür, die Wertschöpfung über den Aktionär hinaus zu steigern. Die Mitglieder des Vorstands müssen zwischen kurzfristigen Erwartungen und längerfristigen Interessen vermitteln. Im Verlauf unserer Studie hob Michael Miebach, Chief Product Officer bei Mastercard, hervor, wie wichtig es ist, den Vorständen direkte Erfahrungen an der Unternehmensfront zu vermitteln: „Nehmen Sie den Vorstand mit. Zeigen Sie ihm, was der Kunde erwartet, und helfen Sie ihm, die Schwierigkeiten und die Dynamik des Ökosystems zu verstehen“, erklärte er.
4. Das Unternehmen neu ausrichten
Die Anpassung von Leistungskennzahlen und Anreizen an die Nachhaltigkeitsverpflichtungen ist ein Muss. Dies kann die Verknüpfung von Anreizen für Fortschritte bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen beinhalten. So hat beispielsweise Feike Sijbesma, der Vorsitzende und CEO von DSM, die Hälfte seiner variablen Bezüge davon abhängig gemacht, wie sich das Unternehmen bei den nichtfinanziellen, wertschöpfenden Zielen entwickelt.
In den letzten zehn Jahren haben sich immer mehr Unternehmen entschieden, ehrgeizige, langfristige Verpflichtungen einzugehen und damit zu demonstrieren, dass sie Wert schaffen wollen, der über die Rendite der Aktionäre hinausgeht. Hervorzuheben ist dabei das Engagement von Schneider Electric für die Klimaneutralität bis 2030 und das Engagement von IKEA für eine positive Wirkung auf Mensch und Umwelt bis 2030.
Es sind solche – über den reinen Shareholder Value hinausgehende – Veränderungen, die Fortschritte in Richtung eines integrativen und regenerativen Wachstumsmodells in Europa ermöglichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit in einem sich stark verändernden Wirtschaftssystem stärken.
Zum Hintergrund: Xynteo ist eine Unternehmensberatung, die mit namhaften Firmen – darunter Shell, IKEA, Tesco und Nestlé – zusammenarbeitet, um diese sowie ihre Tätigkeitsbereiche zu einem nachhaltigen und integrativen Wachstum zu verhelfen