Die Honorare der Beraterbranche basieren zumeist auf Tagessätzen. Das aber verleitet sowohl den Berater als auch den Auftraggeber zu Fehlentwicklungen. Dabei gibt es bessere Modelle.
Der Deal „Zeit gegen Geld“ funktioniert noch immer. Beratungsunternehmen definieren einen Tagessatz für einen Junior- oder Seniorberater, für Partner, also die Mitinhaber des Beratungshauses, für Hilfskräfte und andere Personen. Am Ende werden die Gesamttage für ein Projekt addiert und der Mandant bekommt seine Rechnung. Insbesondere bei Projekten, bei denen der Berater oder das Beraterteam beim Mandanten vor Ort sind, gilt diese Art der Abrechnung als faires und transparentes Modell. Der Grundgedanke des Beraters: Wenn ich beim Mandanten bin, bringt jeder Tag Geld. Der Gedanke des Auftraggebers: Wenn ich den oder die Berater im Hause habe, steigen Effektivität und Effizienz. Was zunächst logisch und für beide Seiten lukrativ klingt, macht am Ende Projekte oft teurer als sie sein müssten. Nicht umsonst sind in den vergangenen Jahren die Laufzeiten von Beratungsprojekten immer länger geworden. Die Kosten sind gestiegen.
Im Grunde ist es ja eine gute Sache: Statt einen Experten einzustellen, dessen Wissen und Erfahrung ohnehin nur temporär benötigt werden, mietet sich ein Unternehmen einen geeigneten Spezialisten auf Zeit. Für die Tage, die er tätig war, bekommt er ein Honorar in Form von Tagessätzen. Soweit die Theorie. Denn in der Praxis hat sich etwas ganz anderes eingeschlichen: Der Mandant fordert immer mehr Leistungen nebenbei und der Berater wird nicht müde, immer mehr Fragestellungen links und rechts der eigentlichen Aufgabe zu finden. So werden Projekte größer, die Umsetzungszeiträume länger und sowohl die Zahl der zu bezahlenden Tagessätze als auch die Projektkosten insgesamt steigen. Das ist ein nicht untypischer Grund für die viel zitierten Kostenüberschreitungen im Rahmen von Projekten.
Viele Beratungshäuser bieten an, zunächst ein Team von Junior Consultants in das Unternehmen zu schicken, um dort ein Projektbüro aufzubauen. Die Kunden greifen gern auf dieses Angebot zurück, das ihnen auf den ersten Blick Arbeit abnimmt und durch die Beratungsfirmen auch als sehr verlockend dargestellt wird. Sie übersehen dabei allerdings, dass sie sich damit auch ein Eigentor schießen können, denn: Wer seine Aufgaben derart ausgelagert hat, verpasst nicht nur die internen Diskussionen über das Projekt, er kann auch die einzelnen Schritte nicht mehr wirklich kontrollieren. Oft stellt sich im Endeffekt heraus, dass die angedachte Win-Win-Planung gefühlt nur dem Berater genutzt hat – gefühlt, weil ja auch der Berater mitunter Zusatzaufgaben übernommen hat, die ursprünglich nicht angedacht waren. Hier liegt die Krux: Es wurden Arbeiten beauftragt und erledigt, die vorher nicht vereinbart waren. Ein Teufelskreis ist entstanden: Je länger ein Berater im Haus mit seinen Kompetenzen glänzt, desto mehr davon möchte der Auftraggeber diese für sich nutzen. Der Berater hingegen wird nicht müde, immer neuen Themen zu finden, die ihm eine Beschäftigung bei seinem Mandaten sichern. Beides ist letztlich unethisch und führt die Honorierung nach Tagessätzen ad absurdum. Das Unethische ist, dass der Berater quasi sein eigenes Sekundärziel verfolgt, möglichst lange bei seinem aktuellen Auftraggeber zu bleiben. Unethisch ist aber auch der Auftraggeber, der versucht, das Wissen das Beraters bis zum Letzten auszuschöpfen, ohne dafür ein neues Zusatzmandat zu erteilen und Zusatzkosten transparent zu machen. Statt jedes Nebenthema als Teil ein und desselben Mandats zu betrachten, müssten eigentlich sämtliche Zusatzaufgaben und -projekte gesondert vereinbart werden. Das ist eine Lösung für das Dilemma.
Noch besser aber wäre es, ganz auf Tagessätze zu verzichten und einen neuen Weg zu gehen, indem man dem Projekt einen Wert gibt statt eines Budgets. Da davon auszugehen ist, dass jedes Projekt dazu dient, entweder Geld einzusparen oder mehr Geld zu verdienen, lässt sich der geplante Nutzen in Zahlen ausdrücken. Wenn durch ein erfolgreiches Projekt also eine Mio. Euro eingespart werden oder neue Umsätze in Höhe von fünf Mio. generiert werden sollen, so ist der Wert des Projekts eben eine beziehungsweise fünf Millionen Euro. Würde der Berater einen Prozentsatz von diesem Wert bekommen und wären damit sämtliche Ansprüche des Mandats abgegolten, käme es auf beiden Seiten zu einem deutlich faireren Modell als bei Tagessätzen. Damit dieses Modell gelingt, müssen beide Seiten vorab sowohl das Gesamtziel als auch konkrete Punkte definieren, an denen sich festmachen lässt, wie weit das Projekt gekommen ist. Hier geht es um harte Fakten, die entweder erreicht werden oder eben nicht. Wichtig ist, dass sowohl der Entscheider beim Mandanten als auch der Berater selbst mit den definierten Punkten einverstanden ist. Ein solches Modell wäre ethisch, weil Augenhöhe hergestellt würde und weil der Berater am eigenen Erfolg mitpartizipiert. Es wäre modern und könnte Tagessätze bald zu einem Relikt der Vergangenheit machen.